Das Oberlandesgericht Koblenz (5 Ws 16/21) konnte sich in einer sehr spannenden Entscheidung zum Zugriff der Verteidigung auf digitale Beweismittel (bzw. die vorgehaltenen Speichermedien) äußern. Dabei ist es der Regelfall, dass deutsche Verteidiger hier zuerst vor Wände laufen. Die vorliegende Problematik wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, die aktuelle OLG-Entscheidung wird Präzedenz-Charakter haben.
Besichtigungsrecht der Verteidigung bei zur Durchsicht beschlagnahmter Speichermedien weiterlesenKategorie: Digitale Beweismittel
Kann die Polizei Whatsapp-Nachrichten lesen?
In Cybercrime-Verfahren hat die digitale Kommunikation erhebliche Bedeutung für Ermittler – und so stellt sich immer wieder die Frage, wie sicher WhatsApp eigentlich ist. Oder ein anderer Messenger, mit dem man kommuniziert hat. Die Frage ist tatsächlich nicht so leicht zu beantworten.
Update: Der Beitrag wurde um aktuelle Erkenntnisse erweitert.
Kann die Polizei Whatsapp-Nachrichten lesen? weiterlesenDigitale Beweismittel: Sirius Report 2021
Es wurde nunmehr der dritte “Sirius Report” vorgelegt: Beim SIRIUS-Projekt handelt es sich um eine zentrale Referenz in der Europäischen Union für den Wissensaustausch über den grenzüberschreitenden Zugang zu elektronischen Beweismitteln. Heute wird das Projekt von Europol und Eurojust in enger Partnerschaft mit dem Europäischen Justiziellen Netz (EJN) durchgeführt.
Der Sirius Report gibt einige grundsätzliche Einblicke in die Bedeutung und Entwicklung digitaler Beweismittel, speziell bei der Bekämpfung von Cybercrime im Zusammenhang mit Anfragen bei Online-Service-Providern (OSP).
Digitale Beweismittel: Sirius Report 2021 weiterlesenEncrochat – Einordnung des staatlichen Hackangriffs
Am 21.11.2021 durfte ich im Rahmen des Strafverteidiger-Tages 2021 dazu vortragen, was möglicherweise technisch bei Encrochat aufseiten der französischen Ermittler gelaufen ist, wie man dies juristisch einordnet und warum das IT-Forensisch alles Grütze ist, was da in deutsche Prozesse eingeführt wird. Dazu habe ich erstmals einen Blick auf meine Arbeitsunterlage zu den umfangreichen Ermittlungsinstrumenten deutscher Ermittler gegeben, was ein mitunter erschreckendes Ausmaß offenbart. Die Folien stelle ich nun hier zur Einsicht zur Verfügung.
Mehr zu Encrochat? In unserem Blog finden sich unter dem Schlagwort Encrochat die wichtigsten Entscheidungen, vor allem der Oberlandesgerichte, zum Thema. Mit Rücksicht auf meine Mandanten sehe ich von aktuellen Berichten aus laufenden Verfahren mit Encrochat-Bezug ebenso ab, wie von Berichten über das, was mit Kollegen berichten, die ich (im Hintergrund) IT-forensisch berate.
Encrochat – Einordnung des staatlichen Hackangriffs weiterlesenOperation Dark HunTOR
Europol berichtet von der gerade durchgefühten Operation Dark HunTOR: Es handelt sich um eine europaweit, ja gar weltweit, koordinierte Aktion von Ermittlungsbehörden, die auf die Zerschlagung von “DarkMarket“, dem damals weltweit größten illegalen Marktplatz im Dark Web, Anfang des Jahres zurückgeht. Ich hatte schon gemutmaßt, dass so etwas geschehen würde.
Operation Dark HunTOR weiterlesenDigitale Beweismittel
Digitale Beweismittel: Wie geht man mit digitalen Beweismitteln (richtig) um? Diese Frage ist allgegenwärtig und leider kaum Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen: Es gibt nur eine extrem überschaubare Anzahl von Aufsätzen zum Thema, gerichtliche Entscheidungen sind noch seltener. Dabei drängt sich gerade mit der zunehmenden Digitalisierung des Prozesswesens diese Frage auf.
Vor allem eine Frage ist inzwischen ebenso drängend wie vollkommen aus dem Fokus geraten: Was ist ein digitales Beweismittel? In diesem Beitrag gehe ich auf die wesentlichen Problembereiche rund um digitale Beweismittel ein, ich widme dabei einen wesentlichen Teil meines Alltags rund um technische und rechtliche Fragen von IT-Forensik und digitaler Beweismittel.
Digitale Beweismittel weiterlesenDigitale Beweismittel: Schlichte Vorlage von Excel-Datenblättern
Dass die schlichte Vorlage von Excel-Ausdrucken kein geeigneter Beweis sein kann hat das Landesarbeitsgericht Köln, 6 Sa 723/20, einem Unternehmen ins Stammbuch geschrieben. Hier ging es darum, ob ein gekündigter Mitarbeiter – der sich gegen die Kündigung wehrte – Fake-Kunden angelegt hat, um darüber in die eigene Tasche zu wirtschaften. Das beklagte Unternehmen wollte nun, auf Basis ausgedruckter Excel-Datenblätter und mittels selbst angefertigter Screenshots die Täterschaft des Mitarbeiters nachweisen. Was vorhersehbar scheiterte.
Digitale Beweismittel: Schlichte Vorlage von Excel-Datenblättern weiterlesenDigitale Beweismittel: Auswahl einzelner Beweismittel nach Kriterien
Bei digitalen Beweismitteln ergibt sich relativ schnell ein Problem für Ermittler, etwa wenn nur bestimmte Informationen aus umfangreichen Datenbanken benötigt werden. Die Frage ist dann, ob bei einer Durchsuchung – etwa beim Provider – verlangt werden kann, dass eine Aufarbeitung der Daten erfolgt. Seit einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist dies nun geklärt.
Digitale Beweismittel: Auswahl einzelner Beweismittel nach Kriterien weiterlesenDer BGH zum “Lügendetektor”
Die deutsche Rechtsprechung mag den Polygraphen (so genannter “Lügendetektor”) nicht – aus gutem Grund: Entgegen dem, was einem in amerikanischen Filmen und zweifelhaften Talkshows vermittelt wird, gibt es erhebliche Zweifel an der Beweiseignung des “Lügendetektors”, der letztlich gerade nicht feststellt, ob jemand lügt, sondern körperliche Entwicklungen aufzuzeichenn versucht, die ihrerseits von einem “Experten” gedeutet werden. Der Fehlerhaftigkeit und Willkür ist hier Tür und Tor geöffnet.
Insofern sollte es nicht verwundern, dass der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit (1954 und 1998) den “Lügendetektor” als Beweismittel abgelehnt hat. Da die Entscheidungen schon älter sind, liegt es nahe, zu fragen, ob aktuelle Entwicklungen eine neue Sicht der Dinge fordern. Der BGH (1 StR 509/10) hat sich nun erneut mit dem Thema beschäftigt – und kommt zu keinem neuen Ergebnis. Man sieht weiterhin kein geeignetes wissenschaftliches Fundament, um Polygraphen als geeignetes Beweismittel heranzuziehen – auch nicht über den Umweg, dass man denjenigen, der die Daten des Polygraphen “auswertet” als Sachverständigen anhört.
Im Fazit bleibt es dabei: Der so genannte “Lügendetektor” ist kritisch zu sehen, sicherlich auch wegen der auf der Hand liegenden Manipulationsmöglichkeiten bereits im Meßvorgang, von den Fehlerquellen bei der “deutung” ganz zu schweigen. Umso kritischer muss man sehen, wie dem – naiven – Fernsehkonsumenten im Nachmittags-Talk-Programm demonstriert wird, dass sich anhand solcher “Tests” absolute und über alle Zweifel erhabene Wahrheiten ermitteln lassen. So einfach ist es nicht – und wird es auf absehbare Zeit auch nicht sein.
Zum Thema:
- Auf der Suche nach absoluter Wahrheit geht man auch (zweifelhafte) neue Wege – etwa über Gehirnscanner, die in der Tat auch in mindestens einem Fall schon zu einer Verurteilung führten, wie u.a. bei der SZ zu lesen war. Auch hier sollte man sich vom Wissenschaftlichen Schein nicht verführen lassen – letzten Endes ist die Auswertung eine Deutung die einem Ratespiel gleich kommt. Wer in solchen Methoden die Lösung aller Probleme sucht, betreibt letzten Endes nichts anderes als digitales Voodoo.
Digital am Arbeitsplatz: Arbeitgeber darf in Chat-Protokollen schnüffeln
Das Landesarbeitsgericht Hamm (14 Sa 1711/10) hat entschieden, dass der Chef sprichwörtlich in Chat-Protokollen schnüffeln darf – wenn er es vorher angekündigt hat. Es ist dabei für das LAG gleichgültig, ob vielleicht gegen einer der vielen Verbotsvorschriften verstoßen wurde, die in Betracht kommen könnten – etwa § 206 StGB, § 88 TKG. § 32 BDSG und § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG.
Jedenfalls ergibt dies dann kein Beweisverwertungsverbot, wenn
“der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern lediglich eine gelegentliche private Nutzung elektronischer Ressourcen gestattet und zugleich darauf hinweist, dass bei einer Abwicklung persönlicher Angelegenheiten auf elektronischen Geräten und über das Netzwerk der Mitarbeiter keine Vertraulichkeit erwarten und der Arbeitgeber die Nutzung überwachen und bei gegebener Notwendigkeit die Daten einsehen kann, die der Mitarbeiter anlegt oder mit anderen austauscht.”
Hier wird im Ergebnis die Vertraulichkeit der Kommunikation derart eingeschränkt, dass der Arbeitnehmer mit dem LAG einfach damit rechnen muss, dass die “Spuren die er hinterlässt” in einem Prozess gegen ihn verwendet werden. Dies jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer seinerseits strafrechtlich relevantes Verhalten gegenüber seinem Arbeitgeber entwickelt. Die Sache liegt inzwischen dem Bundesarbeitsgericht vor.
Dazu auch bei uns:
