Den Absender einer E-Mail trifft gem. § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Ihm kommt keine Beweiserleichterung zu Gute, wenn er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln (4 Sa 315/21) am 11. Januar 2022 entschieden.
Beweislast für Zugang der Abmahnung beim BAG
In dem Rechtsstreit stritten die Parteien um die Verpflichtung des Klägers, ein ihm zur Finanzierung einer Fortbildung gewährtes Darlehen an die Beklagte zurückzuzahlen. In dem Darlehensvertrag war geregelt, dass die Beklagte auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn sie aus betrieblichen Gründen dem Kläger nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.
Ob der Kläger eine E-Mail der Beklagten mit einem Beschäftigungsangebot als Anlage am letzten Tag der Frist erhalten hat, war streitig. Die Beklage verwies auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die EMail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Laut Kläger ging eine solche E-Mail erst drei Tage später bei ihm ein.
In dem hieraufhin vereinbarten Arbeitsverhältnis begann die Beklagte, vom Gehalt des Klägers monatlich jeweils 500 Euro als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Sie war der Ansicht, dass dem Kläger rechtzeitig ein Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail angeboten worden sei. Die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung sei nicht eingetreten. Sie könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen.
Das Arbeitsgericht hat der Lohnzahlungsklage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Der Zugang einer E-Mail sei vom Versender darzulegen und zu beweisen. Die Absendung der EMail begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Denn der Versender wähle die Art der Übermittlung der Willenserklärung und trage damit das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, habe der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern. (Quelle: Pressemitteilung des Gerichts)
Beweislast für Zugang der Abmahnung
Wer trägt die Beweislast für den Zugang einer Abmahnung? Es gibt scheinbar eine Entscheidung des BGH zu diesem Thema, tatsächlich wird diese aus hiesiger Sicht allerdings häufig falsch angewendet. Tatsächlich muss grundsätzlich derjenige, der sich auf den Zugang der Abmahnung berufen möchte, diesen auch beweisen – also auch der Abmahner. Eine scheinbar anders lautende Entscheidung des BGH ändert daran nichts.
Beweislast für mangelnden Zugang der Abmahnung bei Anerkenntnis liegt bei Abgemahntem
Sachverhalt: Anerkenntnis
Besagte BGH-Entscheidung ist ein Beschluss des BGH aus dem Jahr 2006 (BGH, I ZB 17/06), der im Tenor u.a. ausführt:
Den Beklagten, der im Wettbewerbsprozess auf die Klageerhebung hin eine straf- bewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat und geltend macht, ihm sei die Abmahnung des Klägers nicht zugegangen, trifft grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer dem Kläger die Prozesskosten auferlegenden Entscheidung nach § 93 ZPO. Im Rahmen der sekundären Darle- gungslast ist der Kläger lediglich gehalten, substantiiert darzulegen, dass das Ab- mahnschreiben abgesandt worden ist. Kann nicht festgestellt werden, ob das Ab- mahnschreiben dem Beklagten zugegangen ist oder nicht, ist für eine Kostenent- scheidung nach § 93 ZPO kein Raum.
Um dies richtig zu verstehen, muss man nachvollziehen, worum es geht: Da wird jemand gerichtlich in Anspruch genommen, gibt ein Anerkenntnis ab und sagt, weil er nicht abgemahnt wurde, sind die Kosten des Verfahrens dem Gegner aufzuerlegen. In diesem Fall gilt §93 ZPO, der da lautet:
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
Dies ist eine klare Beweislastregel: Der Anerkennende muss nun beweisen, dass er keine Veranlassung zur Klageerhebung geboten hat, wenn er die Kosten trotz des Anerkenntnisses nicht tragen möchte. Dabei spricht die gesetzliche Formulierung dafür, dass grundsätzlich die Kosten durch den Anerkennenden zu tragen sind, wie der BGH korrekt ausführt:
Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Beklagte aufgrund eines Anerkenntnisses in der Hauptsache unterliegt. Hiervon macht § 93 ZPO eine Ausnahme zugunsten des Beklagten, wenn dieser keine Veranlassung zur Klage gegeben und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt hat. In diesem Fall sind dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, obwohl er in der Hauptsache obsiegt hat. Ist nach einem sofortigen Anerkenntnis des Beklagten streitig, ob er Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat, so trifft ihn die Beweislast für die fehlende Klageveranlassung (…) Denn nach den allgemeinen Beweislastregeln muss diejenige Partei, die sich auf einen Ausnahmetatbestand zu ihren Gunsten beruft, dessen Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und gegebenenfalls beweisen (…). Dementsprechend obliegt dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 ZPO.
Das bedeutet, weil es hier um die Kostenverteilung nach einem sofortigen Anerkenntnis ging, trifft den Abgemahnten die Beweislast. Dabei ist allerdings nicht zu verkennen, dass es sich hierbei um einen klassischen Fall handeln wird, in dem man eine Aussichtslose Lage aussitzen wollte – insoweit kann man in einer Vielzahl klassischer Konstellationen nach Klageerhebung durchaus konstatieren, dass den Abgemahnten eine recht aussichtslose Beweislast trifft, wenn er sagt, die Abmahnung habe ihn nicht erreicht.
Konkrete Beweislast bei Abmahnungen
In diesem Fall sieht der BGH auch, dass es um eine negative Tatsache geht, die schwerlich zu beweisen ist. Dies führt er ausführlich aus und stellt klar, wie die Darlegungs- und Beweislast dann zu verteilen ist:
Dies führt indes nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern allenfalls zu einer sekundären Darlegungslast des Klägers. Der Beklagte kann sich zunächst auf die schlichte Behauptung der negativen Tatsache – das Abmahnschreiben sei ihm nicht zugegangen – beschränken. Nach dem auch im Prozessrecht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist der Klä- ger ausnahmsweise verpflichtet, dem einfachen Bestreiten mit eigenem qualifizier- ten Vortrag entgegenzutreten. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der Kläger die für einen substantiierten Vortrag notwendigen Informationen im Allge- meinen besitzt oder sich diese jedenfalls leichter beschaffen kann als die darlegungspflichtige Partei. Im Anschluss daran muss jedoch die darlegungspflichtige Partei ihren Vortrag konkretisieren und detailliert – gegebenenfalls unter Beweisantritt – auf das Bestreiten der Gegenpartei eingehen (vgl. BGHZ 100, 190, 195; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 62; Musielak/Stadler aaO § 138 Rdn. 10). Auf den Zugang des Abmahnschreibens bezogen bedeutet dies, dass der Kläger gehalten ist, die genauen Umstände der Absendung vorzutragen und gegebenen- falls unter Beweis zu stellen. Eine weitergehende Verpflichtung des Klägers – etwa dahingehend, dass er besondere Versendungsformen zu wählen habe, die einen Nachweis des Zugangs ermöglichten – kann aufgrund der sekundären Dar- legungslast dagegen nicht begründet werden.
Damit wird dem Beklagten keine unzumutbare Belastung aufgebürdet. Er hat die Möglichkeit, die Tatsache, aus der sich ergibt, dass er keinen Anlass zur Klage gegeben hat – etwa den Umstand, dass ihm kein Abmahnschreiben des Klägers zugegangen ist – durch Benennung von Zeugen – beispielsweise von Büropersonal – unter Beweis zu stellen. Gelingt dem Beklagten dieser Beweis (§ 286 ZPO), ist grundsätzlich Raum für eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten (§ 93 ZPO). Denn das Risiko, dass ein abgesandtes Abmahnschreiben auf dem Postweg verlorengegangen ist, trägt grundsätzlich der Kläger. An den Nachweis der negativen Tatsache dürfen auch keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Denn ein Missbrauch ist nicht nur auf Seiten des Beklagten denkbar, der zu Unrecht den Zugang einer Abmahnung bestreitet; er ist auch auf Seiten des Klägers nicht auszuschließen, der wahrheitswidrig die Absendung einer Abmahnung behauptet. Der Kläger wiederum kann das Risiko, dass dem Beklagten der Nachweis des fehlenden Zugangs eines vorprozessualen Abmahnschreibens gelingt, dadurch verringern, dass er eine besondere Versandform – beispielsweise Ein- schreiben mit Rückschein – wählt oder in Eilfällen das Abmahnschreiben mit ein- facher Post und parallel dazu noch per Telefax und/oder E-Mail übermittelt. Steht fest, dass die Abmahnung als Brief, als Telefax und als E-Mail abgesandt worden ist, erscheint das Bestreiten des Zugangs von vornherein in einem wenig glaubhaften Licht (§ 286 ZPO).
Beweislast im Übrigen hinsichtlich des Zugangs einer Abmahnung
Im soeben zitierten Abschnitt findet man bereits einen wesentlichen Teil:
Denn das Risiko, dass ein abgesandtes Abmahnschreiben auf dem Postweg verlorengegangen ist, trägt grundsätzlich der Kläger. (…) Denn ein Missbrauch ist nicht nur auf Seiten des Beklagten denkbar, der zu Unrecht den Zugang einer Abmahnung bestreitet; er ist auch auf Seiten des Klägers nicht auszuschließen, der wahrheitswidrig die Absendung einer Abmahnung behauptet.
Dies ist ständige Rechtsprechung des BGH und wurde hier in den Urteilsgründen auch nochmals klargestellt: Das Risiko des Verlustes einer Sendung bei der Post trifft den Abmahner. Und ausserhalb der Kostenverteilung beim Anerkenntnis verbleibt es dabei, dass der Abmahner den Zugang der Abmahnung zu beweisen hat. Dies wurde in vergleichbarem Fall hinsichtlich einer Betriebskostenabrechnung vom BGH (VIII ZR 107/08) schon früher entschieden:
Bei zur Post gegebenen Briefen besteht kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung (Senatsur- teile vom 7. Dezember 1994 – VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665, unter II 3 a, und vom 24. April 1996 – VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033, unter II 2) (…)
(…) ist von einem Verlust der Abrechnung auf dem Postwege auszugehen (…)
Das führt jedoch nicht dazu, dass die Beklagte die verspätete Gel- tendmachung nicht zu vertreten hat. Vielmehr ist mangels entgegenstehenden Vortrags der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (§ 556 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BGB) von einem Verschulden der Post auszugehen, das die Beklagte gemäß § 278 Satz 1 BGB zu vertreten hat. Denn für das Vertretenmüssen im Sinne von § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB gilt § 276 BGB; nach § 278 BGB hat der Vermieter auch ein Fehlverhalten seiner Erfüllungsgehilfen zu vertreten (…) Im Streitfall ist die Post als Erfüllungsgehilfe der Beklagten tätig geworden, weil die Beklagte sich der Post zur Beförderung der Abrechnung bedient (vgl. BGHZ 62, 119, 123 f.) und die Beklagte – wie oben dargelegt – nicht nur die Absendung, sondern auch den Zu- gang der Abrechnung geschuldet hat. Dies wird weder durch eine etwaige Mo- nopolstellung der Post noch dadurch in Frage gestellt, dass die Post keinen Weisungen der Beklagten unterlag (…)
Das bedeutet: Wer eine Abmahnung nur per Post zusendet und nicht mit einem sofortigen Anerkenntnis der Gegenseite „gesegnet“ wird, der hat – wenn er Kosten aus der Abmahnung geltend machen möchte – die Beweislast zu tragen. Die Eingangs genannte BGH-Entscheidung ändert daran rein gar nichts.
Das Fazit ist dann am Ende ein prozessuales Problem, das rechnerisch zu lösen ist: Lohnt sich das sofortige Anerkenntnis für den Abgemahnten oder bietet es sich an, durch prozessuales Taktieren diese Kosten zu vermeiden während zusätzliche andere Kosten zumindest riskiert werden? Dies ist dann letztlich dem Einzelfall geschuldet.
Beispiel AG Düsseldorf
Die hier dargestellte Rechtsauffassung findet sich übrigens auch beim AG Düsseldorf (57 C 9342/14):
Darüber hinaus können Abmahnkosten auch nicht verlangt werden, weil Voraussetzung für das Entstehen des besonderen Pflichtenverhältnisses aus §97a UrhG, das Grundlage der Erstattung der Kosten der Abmahnung ist, der Zugang der Abmahnung beim Empfänger ist. Die Entscheidung BGH GRUR 2007, 629 betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich die Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses, wenn im Unterlassungsprozess streitig ist, ob eine vorhergehende Abmahnung zugegangen ist oder nicht
- Entscheidung des LG Heidelberg zur Verwertbarkeit heimlicher Tonaufnahmen - 3. Oktober 2024
- UN-Übereinkommen zur Bekämpfung von Cyberkriminalität verabschiedet (2024) - 10. August 2024
- Vollstreckung der Herausgabe von Kryptowährungen aus Wallet - 9. Juli 2024