Verwertungsverbot für eine von der Staatsanwaltschaft sichergestellte Festplatte im Steuerverfahren

Das Verhältnis zwischen strafprozessualen Ermittlungen und steuerlicher Sachverhaltsermittlung wirft immer wieder heikle Abgrenzungsfragen auf, vor allem beim Zugriff auf sichergestellte Beweismittel. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 23. April 2025 (I B 51/22) klargestellt, dass die Steuerbehörden Daten aus einer von der Staatsanwaltschaft sichergestellten Festplatte nicht verwerten dürfen, wenn diese ohne die gebotene vorherige Durchsicht vollständig an den Betriebsprüfer übermittelt wurde.

Die Entscheidung konkretisiert die Reichweite des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung im steuerlichen Kontext und grenzt zugleich die Kompetenzen zwischen Steuerfahndung und Außenprüfung scharf ab. Zugleich schafft sie im Steuerstrafrecht neues Verteidigungspotential, das überrascht, aber auch nicht überbetont werden darf.

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Durchsuchung und Beschlagnahme elektronischer Daten: Verhältnismäßigkeit als Grenze staatlicher Eingriffe

Eine Entscheidung des Landgerichts München I vom 18. Dezember 2024 (19 Qs 24/24) setzt – endlich noch einmal – ein klares Signal für die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit bei strafprozessualen Maßnahmen. Konkret ging es um die Durchsuchung und Beschlagnahme elektronischer Datenspeicher im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen versuchter Erpressung. Das Gericht stellte fest, dass die Maßnahme unverhältnismäßig war und hob die entsprechenden Beschlüsse auf.

Diese Entscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung, da sie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Zugriff auf digitale Datenbestände im Strafverfahren betont. Besonders relevant sind dabei die Grundrechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), die staatlichen Maßnahmen enge Grenzen setzen.

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Zulässiges Entsperren eines Smartphones durch erzwungendes Fingerauflegen

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen (1 ORs 26/24) zur zwangsweisen Entsperrung eines Smartphones durch Auflegen des Fingers des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor wird – nicht nur in juristischen Kreisen – für Aufsehen sorgen: Es zeichnet sich zunehmend ab, dass (wenig überraschend) deutsche Gerichte keine Probleme mit der zwangsweisen Entsperrung durch Polizisten mittels Fingerauflegen haben. Betroffene müssen Konsequenzen ziehen.

Kurz: Das OLG Bremen stellte klar, dass die zwangsweise Entsperrung eines Smartphones durch das Auflegen des Fingers des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor nach § 81b Abs. 1 StPO rechtlich zulässig ist. Es argumentierte, dass die Norm nicht nur die Erhebung, sondern auch die unmittelbare Nutzung biometrischer Merkmale umfasse. Ergänzend führte es aus, dass die Annexkompetenz auch die Anwendung unmittelbaren Zwangs rechtfertige, solange die Maßnahme verhältnismäßig ist und einem legitimen Ziel dient

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Reale Gefahr der Beweismittelfälschung durch Nachrichtendienste in Ermittlungsverfahren

In den letzten Monaten erregte ein vermeintlicher Terrorfall große Aufmerksamkeit: Omar A., ein 28-jähriger Libyer, wurde im Oktober 2024 festgenommen, da er angeblich einen Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin plante. Der entscheidende Hinweis kam von einem ausländischen Geheimdienst und basierte auf Chatverläufen, die Omar A. schwer belasteten – zumindest zunächst. Doch wenige Monate später brach der gesamte Fall zusammen: Die „brisanten“ Chats waren fingiert, und Omar A. wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, wie die Tagesschau berichtet.

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Untersagung der Sichtung & Auswertung von Beweisgegenständen, die im Rahmen einer Durchsuchung sichergestellt worden waren

In dem Fall, der Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit dem Aktenzeichen 2 BvR 200/14 war, ging es um die Untersagung der Sichtung und Auswertung von Beweisgegenständen, die im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung sichergestellt worden waren. Das BVerfG erließ eine einstweilige Anordnung, die diese Sichtung und Auswertung bis zur endgültigen Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde – längstens für die Dauer von sechs Monaten – untersagte.

Der Kern dieser Entscheidung liegt in der Abwägung zwischen den Folgen für das Ermittlungsverfahren und den möglichen irreparablen Nachteilen für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschwerdeführers, ein Grundrecht, das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankert ist.

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OLG München: ANOM-Chats nicht verwertbar (und Encrochat auch nicht?)

Das Oberlandesgericht München (1 Ws 525/23) hat sich in einem inhaltlich auffallend kritischen Beschluss zur Verwertbarkeit von ANOM-Chats geäußert – und diese verneint. Damit stellt sich das Münchener OLG gegen die Auffassungen aus Frankfurt, Saarbrücken und Köln (Köln ist bisher nicht veröffentlicht, liegt mir aber vor), wobei diesen OLG sowie dem BGH ins Stammbuch geschrieben wird, die eigene Haltung kritisch zu hinterfragen.

Das Interessante an dem Beschluss ist dabei, dass man gerade nicht zu Encrochat abgrenzt, sondern quasi einleitend festgestellt wird, dass auch bei Encrochat erhebliche Bedenken bestehen, weswegen bei ANOM umso mehr Bedenken im Raum stehen.

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Künstliche Intelligenz in der Polizeiarbeit verlangt ein Umdenken

Der Einsatz künstlicher Intelligenz im Bereich der Arbeit von Ermittlern findet längst statt, mal unmittelbar als Modellprojekt, mal mittelbar, wenn Unternehmen von sich aus “intelligent” nach Inhalten suchen. Die Frage ist, welche Auswirkungen dies auf den prozessualen Umgang haben soll, mit den Ergebnissen, die solche Techniken zutage fördern.

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Besichtigungsrecht der Verteidigung bei zur Durchsicht beschlagnahmter Speichermedien

Das Oberlandesgericht Koblenz (5 Ws 16/21) konnte sich in einer sehr spannenden Entscheidung zum Zugriff der Verteidigung auf digitale Beweismittel (bzw. die vorgehaltenen Speichermedien) äußern. Dabei ist es der Regelfall, dass deutsche Verteidiger hier zuerst vor Wände laufen. Die vorliegende Problematik wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, die aktuelle OLG-Entscheidung wird Präzedenz-Charakter haben.

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Kann die Polizei Whatsapp-Nachrichten lesen?

In Cybercrime-Verfahren hat die digitale Kommunikation erhebliche Bedeutung für Ermittler – und so stellt sich immer wieder die Frage, wie sicher WhatsApp eigentlich ist. Oder ein anderer Messenger, mit dem man kommuniziert hat. Die Frage ist tatsächlich nicht so leicht zu beantworten.

Update: Der Beitrag wurde um aktuelle Erkenntnisse erweitert.

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Operation Dark HunTOR

Europol berichtet von der gerade durchgefühten Operation Dark HunTOR: Es handelt sich um eine europaweit, ja gar weltweit, koordinierte Aktion von Ermittlungsbehörden, die auf die Zerschlagung von “DarkMarket“, dem damals weltweit größten illegalen Marktplatz im Dark Web, Anfang des Jahres zurückgeht. Ich hatte schon gemutmaßt, dass so etwas geschehen würde.

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