Poliscan: Kein Anspruch auf Herausgabe von Token

Das Amtsgericht St. Ingbert (23 OWi 65 Js 667/22 (1278/22)) hat hervorgehoben, dass es keinen Anspruch auf Herausgabe des sog. Token zur verifizierung von Messprotokollen gibt.

Hintergrund ist, dass beim Messsystem PoliScan (Typ FM1) die von dem Messgerät erzeugte Messdatei verschlüsselt und signiert in einer so genannten „Tuff“-Datei gespeichert wird. Um diese Datei zu nutzen, ist eine Software (der Vitronic „Tuff-Viewer“) nötig sowie eine weitere Software zum Entschlüsseln.

Wird die Tuff-Datei mit der nötigen Software und dem dazugehörigen Token geöffnet, ist sodann ein grüner Haken sichtbar, sodass die Integrität der Datei leicht erkennbar dargestellt wird sowie als pdf-Datei gespeichert werden kann. Das Gericht berichtet zudem von der Möglichkeit, einen Einzeltoken bei der Hessischen Eichdirektion gegen eine Gebühr in Höhe von 117,30 Euro anzufordern – die Verteidigung aber bestand wohl auf Herausgabe eines Schlüssels ohne diesen (kostenpflichtigen) Umweg.

Auf diesen Token aber besteht kein Anspruch, führt das AG aus:

Diese Software zum Entschlüsseln und zur Darstellung haben die Verkehrspolizei, ebenso die meisten Sachverständigen. Nach aktueller Rechtsprechung besteht kein Anspruch darauf, dass die Behörde das zu den übermittelten Messdaten passende Entschlüsselungsprogramm zur Verfügung stellt, das Programm kann beim Hersteller der Geschwindigkeitsmessanlage käuflich erworben werden (AG Gosslar, Beschl. v. 16.02.2021 – Az. 26 OWi 39/21 mit Verweis auf OLG Celle, Beschl. v. 21.03.2016 – Az. 2 Ss (OWi) 77/16, juris Rn. 11 ff.; AG Buxtehude, Beschl. v. 23.11.2017 – Az. 21 OWi 382/17). Dies gilt im Übrigen für alle anderen Messverfahren gleichermaßen, ist also insofern nichts Neues.

Wenn man die Tuff-Datei entschlüsselt, erhält man eine xml-Datei und eine Bilddatei, wobei man das Format der Bilddatei selbst auswählen kann. In der xml-Datei werden die Messdaten angezeigt. Die xml-Datei kann mithilfe einer weiteren Software gelesen werden. Die Sachverständigen besitzen auch diese Software.

Die Verkehrspolizei hat früher die Einzeltoken an die Verteidigung herausgegeben, erhält aber aktuell von der Firma Vitronic nur einen Sammeltoken, der die Decodierung von Geschwindigkeitsmessungen bei ca. 60 verschiedenen PoliScan-FM1-Messanlagen in ganz Deutschland ermöglicht. Dieser wird aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken nicht herausgegeben (…)

Der Token ist mithin kein Medium zum Öffnen/Entschlüsseln einer Datei; er dient ausschließlich dazu, die Integrität der Messdaten zu visualisieren in Form des o.a. Häkchens.

Wird die Tuff-Datei mit der Software ohne den dazugehörigen Token geöffnet, erscheint ein roter Kreis mit durchgezogenem Strich, die Integrität wird nicht visualisiert. Darüber hinaus liefert der Token keine zusätzlichen Daten, die der Zentralen Bußgeldbehörde oder dem Betroffenen zur Verfügung gestellt werden könnte.

Amtsgericht St. Ingbert, 23 OWi 65 Js 667/22 (1278/22
Rechtsanwalt Jens Ferner (IT-Fachanwalt & Strafverteidiger)

Veröffentlicht von

Rechtsanwalt Jens Ferner (IT-Fachanwalt & Strafverteidiger)

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht mit einem Faible für Cybercrime, IT-Forensik, Cybersecurity und digitale Beweismittel.