Europäische e-Evidence-Verordnung (auch: Europäische Herausgabeanordnung): Die EU hat Schritte zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs zu elektronischen Beweismitteln unternommen, indem sie die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schafft, dass gerichtliche Anordnungen direkt an Diensteanbieter in anderen Mitgliedstaaten gerichtet werden können.
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IT-Strafrecht: BGH stärkt Bedeutung von Sachverständigen
Dann doch mit einiger Überraschung muss ich beim Bundesgerichtshof (1 StR 412/16) nachlesen, wie blind man in IT-Strafsachen den Ausführungen von Sachverständigen folgen darf:
Die Wirkungsweise der vom Computernutzer unbewusst installierten Schadsoftware hat das Landgericht auf der Grundlage der nachvollziehbar dargelegten Erläuterungen der Sachverständigen hinreichend genau festgestellt.
Das mag auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinen, allerdings muss man dazu wissen, dass der Bundesgerichtshof für Sachverständigengutachten, die bei bedeutenden Fragen hinzugezogen werden – insbesondere wenn es um DNA-Bewertungen aber auch forensisch-psychiatrische Fragen geht – von den Kammern erwartet, dass man sich im Urteil mit den Gutachten auseinandersetzt. Insbesondere gibt es bestimmte Kriterien, an Hand derer das Gutachten im Urteil darzustellen ist. Dass man hier nun mit einem Satz dem Sachverständigen schlicht folgt und der BGH dazu sonst nichts anzumerken hat – insbesondere keine Kriterien für die Instanzrechtsprechung – ist bei einer schuldrelevanten Frage dann doch überraschend. Safferling in NStZ 7/2018 spricht auf Seite 405 vollkommen zu Recht von einem “vorschnellen Folgen” der Ausführungen des Sachverständigen. Deutlich wird dies, wenn man sich vor Augen hält, dass nicht einmal ein Satz zur Methodik des Sachverständigen dargestellt werden muss – gerade bei der Frage der “Wirkungsweise einer Schadsoftware”.
Es sind nur wenige Zeilen, die erst im Umkehrschluss deutlich machen, dass Strafgerichte jedenfalls derzeit recht freie Hand bei dem Umgang mit IT-Sachverständigen haben. Es dürfte nicht allzu lange dauern, bis erste Kriterien entwickelt werden, an Hand derer ein Gericht sich in seinem Urteil mit einem IT-Sachverständigengutachten auseinander zu setzen hat. Insgesamt zeigt diese Entscheidung (die ich gesondert noch weiter besprechen werde), allerdings dass man sich auf dünnem Boden in Deutschland bewegt, wenn etwa pauschale Abzüge bei der Schätzung der Anzahl von Geschädigten in IT-Strafsachen mit Schadsoftware ermöglicht werden.
IT-Forensic: osTriage 2
Ich konnte erstmals beim Live-Einsatz der von Ermittlungsbehörden genutzten Software “osTriage” im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme dabei sein. Die Software ist praktisch auf einem USB-Stick installiert, kann von dort gestartet werden und analysiert ein laufendes Windows-System. In Österreich gab es hinsichtlich dieser Software eine gewisse Aufregung.
In der praktischen Verwendung stellt sich die Software recht unaufgeregt dar: Es scheint sich in erster Linie um ein Reporting-Tool zu handeln, das auf vorhandene Systeminformationen zurückgreift und diese strukturiert aufbereitet. So beispielsweise in einem Windows-System die Prefetch-Dateien, aus denen die Ermittler dann versuchen Rückschlüsse auf ausgeführte Software zu ziehen. Die Software soweit ich sie erlebt habe war übrigens nicht dazu bestimmt ein Image des Systems zu erstellen, sondern am Ende wird ein “Report” erstellt, der dann gespeichert wird. Insgesamt stellte es sich mir als Werkzeug dar, dass die vorhandenen Informationen sehr mächtig sammelt und äusserst transparent aufbereitet, letztlich aber ganz erheblich von dem Wissen lebt, dass sein Anwender mitbringt. Die Arbeitsgeschwindigkeit war dabei durchaus beeindruckend, auf einem Standard-System dauerte das Starten der Software und Auswerten des Systems wenige Minuten, insgesamt machte es den Eindruck eines für den mobilen Einsatz vor Ort durchaus sehr tauglichen Tools, das aber jedenfalls nach erstem Eindruck keinen Verdacht hinsichtlich rechtswidriger Möglichkeiten geweckt hat.
IT-Forensik: Zugriff von Ermittlungsbehörden auf iPhones
Immer wieder für gewisse Nervosität sorgt die Frage, ob ein iPhone oder iPad nun “sicher” ist, nachdem dieses von Ermittlungsbehörden beschlagnahmt wurde. Spätestens seit dem Februar 2017, in dem ein Bericht über die Nutzung von Cellebrite-Hardware durch deutsche Behörden endgültig klar wurde, ist das Fragezeichen noch Grösse geworden. Nun muss man nicht erst an Cellebrite denken, wo ohnehin der Verdacht im Raum steht ob es letztlich um Jailbreak-Techniken geht – die Angriffsszenarien auf ein iPhone sind mannigfaltig, wenn auch im Detail eher teuer zu bewerkstelligen.
Hinweis: Diesen Beitrag habe ich im Hinblick auf erfolgreiche Zugriffe im Juli 2019 aktualisiert, er wird fortlaufend weiter gepflegt.
IT-Forensik: Zugriff von Ermittlungsbehörden auf iPhones weiterlesenZivilprozess: Schadensschätzung des Richters kann an Hand von Internetrecherche erfolgen
Das Oberlandesgericht Köln (1 W 6/16 – Vorinstanz Landgericht Aachen, 7 O 471/15) hat klargestellt, dass der Schätzung eines Mindestschadens als Schätzgrundlage entsprechend §287 ZPO auch Tatsachen zugrundegelegt werden können, die als Ergebnis einer Internetrecherche des Gerichts ermittelt wurden:
Zivilprozess: Schadensschätzung des Richters kann an Hand von Internetrecherche erfolgen weiterlesen
Eigentum an Datenträger durch Speicherung von Daten
Der Bundesgerichtshof (V ZR 206/14) hat entschieden, dass alleine durch das Bespielen eines zum Aufnehmen von Tondokumenten geeigneten und bestimmten Tonbandes keine neue Sache im Sinne des § 950 Abs. 1 BGB hergestellt wird. Das ist in vielfacher Hinsicht spannend – um den Bedeutungsgehalt zu verstehen, muss man sich klarmachen, dass man der Auffassung sein kann dadurch, dass Inhalte eines Gesprächs mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet werden, der Sprecher nach § 950 Abs. 1 BGB Eigentümer der jeweiligen Tonbänder geworden sein könnte. Nach aktuellem Sachenrecht wäre dies anzunehmen, wenn durch die Aufzeichnung der Gespräche ist eine neue Sache entstanden ist.
Der BGH tritt dem hier entgegen, das Recht an der Sache folgt also nicht dem Recht an dem Inhalt der Sache.
Eigentum an Datenträger durch Speicherung von Daten weiterlesenZunehmende Dauer bei der Auswertung von Hardware
Seit einiger Zeit muss ich feststellen, dass die ohnehin recht lange zeitliche Dauer bei der Auswertung von beschlagnahmter Hardware durch Ermittlungsbehörden noch weiter angestiegen ist. Während man früher von 6 Monaten bis zu 12 Monaten ausgehen konnte, hat sich dies rapide verschlechtert:
- In einem sehr einfachen Fall, der keine Haftsache ist, wo es aber u.a. um Kinderpornographie geht, dauert die Auswertung eines Mobiltelefons aktuell 2 Jahre – und ein Abschluss ist nicht in Sicht.
- In einem weiteren Fall dauerte das einfache analysieren einer Festplatte ein gutes Jahr, in einem weiteren Fall gar 1,5 Jahre. Beides war zwar keine Haftsache, allerdings wurde am Ende nur die übliche Analyse mit forensischer Software ohne Sichtprüfung durchgeführt.
- Zum Vergleich: Selbst in einer Serie von Kapitalverbrechen, wo jemand in Haft ist und es lediglich um den Abgleich von 5 DNA-Funden geht, dauert die Analyse bereits 5 Monate an.
Es zeigt sich im gesamtbild, dass man aktuell bei der Auswertung von Hardware ganz erhebliche Zeit einplanen muss. Jedenfalls wo der Mandant nicht in Haft ist, läuft die Uhr insoweit eher für als gegen den Mandanten je länger es dauert. Dabei muss bei unberechtigter Beschlagnahme dann geprüft werden, ob eine Entschädigung für veraltete zurückgegebene Hardware zu leisten ist.
Technische Kompetenz im Strafverfahren: Zeitstempel bei Anrufen
Im Rahmen eines Betäubungsmittelverfahrens wurde plötzlich relevant, wann von einem Handy Anrufe (in die Niederlande) getätigt wurden. Bei solchen Fragen wird dann gerne auf einen von der Polizei bzw. dem Zoll angefertigten “Datensicherungsbericht” zurückgegriffen. Zum Einsatz kommt dabei gerne die forensische Software “XRY” von MSAB, mit der eine vollständige Kopie von Handy und SIM Karte erzeugt und sodann ausgewertet wird. Das Problem nur in diesem Fall: Die ausgewertete Zeit des Handys wich vermutlich von der tatsächlichen Zeit ab – und es war sodann fraglich, ob zum relevanten Tatzeitpunkt wirklich ein telefonischer Kontakt stattgefunden hat. Wie so oft war der Verfasser des Berichts nicht vom Gericht geladen, er wurde sodann kurzerhand telefonisch dazu befragt, wie es sich mit den Zeitangaben im Bericht handelt (prozessual war das Vorgehen nicht tragbar, ich lasse das hier dahin gestellt).
Von diesem war dann zu vernehmen, dass er mitteilte, die Systemzeit des Handys spiele keine Rolle, da sich die Zeitangaben in der Anrufliste des Telefons an Zeitstempeln des Providers orientieren und somit unabhängig von der Systemzeit des Telefons sind. Dass das schlichtweg Unsinn ist kann jeder mit seinem Handy/Smartphone im Handumdrehen nachprüfen – das Gericht übernahm diese Auskunft gleichwohl. Die Berufungsinstanz darf sich nun mit dem Thema “Technische Kompetenz im Strafverfahren” beschäftigen.
Hinweis: Es ist ein häufiges Problem bei Strafverfahren mit IT-Fragen, dass Ermittler auf der einen Seite Standard-Software verwenden, um deren Ergebnisse dann schlicht wiederzugeben; auf der anderen Seite werden bei Detailfragen dann aber auch noch falsche Informationen gegeben, die selbst bei Offenkundigkeit von Gerichten gerne übernommen werden.
Zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren
Beim Amtsgericht Nienburg (4 Ds 155/14) ging es um die Frage der Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren. Das Gericht stellte hierbei korrekt fest, dass im Strafverfahren kein generelles Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufzeichnungen besteht. Vielmehr ist es eine Frage des Einzelfalls, ob eine Dashcam-Aufzeichnung im Strafverfahren verwertet werden darf.
Diese allgemeinen Ausführungen verdienen Zustimmung, wobei gerade im Strafverfahren gilt, dass hier mit dem Bundesgerichtshof eine Abwägung vorzunehmen ist, bei der die Interessen an der Strafverfolgung mit eine Rolle spielen. Es kann also sein, dass in einem Strafverfahren eine Verwertbarkeit vorliegt, die in einem Zivilverfahren zu verneinen ist!
Im vorliegenden Fall ging es um anlassbezogene Aufnahmen. Der Betroffene hatte eine Dashcam im Fahrzeug, die er von Hand einschaltete, wenn ihm etwas auffiel. Eine solche Anlassbezogene Aufnahme stiess dabei nicht auf Bedenken des Gerichts, was auch meiner Einschätzung entspricht. Damit lassen sich aber keine grundsätzlichen Aussagen für die durchgehende Aufnahme durch Dashcams gewinnen.
Dazu bei uns:
- Grundsätzlichen zur rechtlichen Lage bei Dashcams
- Videoüberwachung – Was ist erlaubt
- Rechtsprechungsübersicht zur Videoüberwachung
Zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren weiterlesen
Dashcams: Zu Zulässigkeit und Beweisverwertungsverbot bei Dashcam-Aufnahmen
Dashcam-Kameras erlaubt: Die Frage taucht immer häufiger auf: Sind eingebaute Kameras und damit erzeugte Aufnahmen in PKWs – so genannte Dashcams – zulässig? Oder darf man das vielleicht gar nicht? Erste Datenschützer haben schnell verkünden lassen, dass derartige Technik datenschutzrechtlich unzulässig ist. Nun mag man in der Tat fragen, wie sinnvoll oder auch anspruchsvoll es ist, wenn zunehmend durch solche Aufnahmen das “Hilfsheriff-Tum” wieder Einzug hält. Andererseits wird es Situationen geben, in denen man schlicht dankbar ist, wenn solche Aufnahmen vorliegen (etwa bei einem streitigen Unfallhergang oder wenn man schlicht genötigt wird im Strassenverkehr).
Dazu bei uns:
- Grundsätzliches zur rechtlichen Lage bei Dashcams
- Videoüberwachung – Was ist erlaubt
- Rechtsprechungsübersicht zur Videoüberwachung
Im Folgenden einige rechtliche Überlegungen zur Zulässigkeit derartiger Dashcams.
Dashcams: Zu Zulässigkeit und Beweisverwertungsverbot bei Dashcam-Aufnahmen weiterlesen
